Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb

Die „Freihändige Vergabe“ in der VOL/A wurde in der UVgO (§§ 8, 12) in die „Verhandlungsvergabe“ umbenannt, um deutlicher zu signalisieren, dass es sich hierbei um ein reguläres, im Regelfall wettbewerbliches Verfahren handelt, bei dem über die Angebotsinhalte typischerweise verhandelt wird. Diese Vergabeart kann entweder mit oder ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Ohne Teilnahmewettbewerb bedeutet in diesem Fall, dass die Beschaffung nicht öffentlich ausgeschrieben wird, sondern die auftraggebende Stelle mögliche Bieter zur Angebotsabgabe auffordern soll. Aufgefordert werden kann entweder direkt zur Teilnahme an Verhandlungen oder aber zur Abgabe eines Angebots vor Eintreten in die Verhandlungen. Die nachfolgende Checkliste soll öffentlichen Auftraggebern den Umgang mit Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb erleichtern.

Für Beschaffungen, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 begonnen werden, gilt für Auftraggeber auf kommunaler Ebene gem. Bekm.d.StMI Folgendes:

  • Für alle Beschaffungen bis zu einer Wertgrenze von 25 000 Euro (ohne Umsatzsteuer) ist abweichend von Nr. 1.2.10 ein Direktauftrag ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens zulässig.
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge mit einem voraussichtlichen Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) unterhalb des jeweiligen EU-Schwellenwertes nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GWB dürfen abweichend von den Nrn. 1.2.8 und 1.2.9 im Wege einer Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb oder im Wege einer Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden.

Der öffentliche Auftraggeber hat die Vergabegrundsätze von Wettbewerb und Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung einzuhalten!

1.

Vorbereitung des Vergabeverfahrens

1.1 Ggf. Durchführung einer Markterkundung zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Unternehmen über die Auftragsvergabepläne und -anforderungen
(§ 20 Abs. 1 UVgO).
1.2 Auftragswertschätzung (§ 3 VgV).
1.3 Prüfung der Voraussetzungen für eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb
(§ 8 Abs. 4 UVgO, Nr. 1.2.11 Bekm.d.StMI).
1.4 Losaufteilung (§ 22 Abs. 1 UVgO).
Ggf. Bekanntmachung von Verfahrensregeln für die Losvergabe in den Vergabeunterlagen
(§ 22 Abs. 1 S. 3 und 4, Abs. 2 und 3 UVgO).
1.5 Festlegung von angemessener Angebots- und Bindefrist (§ 13 UVgO).
1.6 Festlegung des Submissionstermins.
1.7 Erstellung der Leistungsbeschreibung/Leistungsverzeichnisse.
1.8 Definition von nicht verhandelbaren Mindestanforderungen.
1.9 Definition von Verhandlungspositionen.
1.10 Definition der Zuschlagskriterien (§ 43 Abs. 2 bis 5 UVgO); grds. nebst Gewichtung/Wertungsmatrix zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (Nr. 1.6 Bekm.d.StMI); es sei denn, die Gewichtung ist aus objektiven Gründen nicht möglich; Angabe in den Vergabeunterlagen (§§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 28 Abs. 2 Nr. 14, 43 Abs. 6 UVgO).
1.11 Zusammenstellen der Vergabeunterlagen (§ 21 Abs. 1 UVgO).
1.12 Ggf. Aufnahme eines Hinweises in die Vergabeunterlagen, dass der Zuschlag auch ohne vorherige Verhandlung erteilt werden darf (§ 12 Abs. 4 S. 2 UVgO).
1.13 Ggf. Aussage zur Zulässigkeit von Nebenangeboten in den Vergabeunterlagen (§ 25 UVgO).
1.14 Ggf. Aufforderung in den Vergabeunterlagen zur Angabe evtl. Unterauftragsvergaben an Dritte (§ 26 Abs. 1 UVgO).
1.15 Ggf. Vorgabe eines Selbstausführungsgebotes (§ 26 Abs. 6 UVgO); Beachte: Vorgabe eines umfassenden Selbstausführungsgebot bei gegebener Binnenmarktrelevanz mit Unionsrecht nicht vereinbar!
1.16 Ggf. Festlegung in den Vergabeunterlagen, dass keine Unterlagen nachgefordert werden (§ 41 Abs. 2 S. 2 UVgO).
1.17 Grds. Vorgabe in den Vergabeunterlagen bzgl. Anwendung der VOL/B (§ 21 Abs. 2 UVgO).
1.18 Festlegung der Kommunikationsmittel. Die elektronische Kommunikation einschließlich der Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten kann bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) durch E-Mail erfolgen (Nr. 6.1 Bekm.d.StMI).
1.19 Festlegung der Form der Angebotseinreichung (§ 38 UVgO); schriftliche Angebotsabgabe möglich, elektronische Angebotsabgabe muss nicht akzeptiert bzw. vorgegeben werden (§ 38 Abs. 2, 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 UVgO). Angebote sind gem. Nr. 1.2.5 S 1 Bekm.d.StMI in Textform abzugeben.
1.20 Auswahl der aufzufordernden Unternehmen.

2.

Eignungsprüfung

2.1 Durchführung der Eignungsprüfung der ausgewählten Bieter (i.d.R. durch Eigenerklärungen oder durch Präqualifikation); ggf. Anforderung noch notwendiger Nachweise und Erklärungen mit oder nach Versendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe (§ 12 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 11 Abs. 2 UVgO, Nr. 1.2.5 S 1 Bekm.d.StMI)
2.2 Überprüfung der abgegebenen Erklärungen

3.

Durchführung des Vergabeverfahrens

3.1 Wettbewerb
3.1.1 Aufforderung von in der Regel drei Bewerbern zur Abgabe eines Angebots (§ 12 Abs. 2 UVgO, Nr. 1.5.1 der Bekm.d.StMI)
3.1.2 Regionale Streuung: in der Regel mindestens ein Bewerber aus anderem Landkreis (Nr. 1.5.1 der Bekm.d.StMI)
3.2 Beantwortung von Bieterfragen
3.3 Aufbewahrung der Angebote (§ 39 UVgO).
Elektronisch übermittelte Angebote
  • Kennzeichnung auf geeignete Weise
  • Verschlüsselte Speicherung
Postalisch oder direkt übermittelte Angebote
  • Ungeöffnet lassen
  • Eingangsvermerk anbringen
  • Unter Verschluss halten
3.4 Submission; Öffnung der Angebote, zu der Bieter nicht zugelassen sind (§ 40 Abs. 2 UVgO).
3.5 Vertraulichkeit/Geheimhaltung der Angebote, auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens (§ 3 UVgO; Nr. 1.5.5 der Bekm.d.StMI).

4.

Prüfung der Erstangebote

4.1 Möglichkeit des Ausschlusses von Angeboten bei nachträglichen Eignungszweifeln (§ 12 Abs. 2 i. V. m. § 11 Abs. 2 UVgO).
4.2 Einleitung der Verhandlungsphase
a) Möglichkeit der Verhandlung über den gesamten Angebotsinhalt unter Beachtung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots, mit Ausnahme der in der Leistungsbeschreibung festgelegten Mindestkriterien und Zuschlagskriterien (§ 12 Abs. 4 und 5 UVgO, § 2 Abs. 2 UVgO).
b) Alternativ: Der Auftraggeber kann den Zuschlag, auch ohne zuvor verhandelt zu haben auf ein Angebot erteilen, wenn er sich dies in der Auftragsbekanntmachung, den Vergabeunterlagen oder bei der Aufforderung zur Abgabe des Angebots vorbehalten hat.
4.3 Unterrichtung der Bieter über Abschluss der geführten Verhandlungen und Festlegung einer einheitlichen Frist für die Einreichung der endgültigen Angebote, über die nicht mehr verhandelt werden darf (§ 12 Abs. 6 UVgO).
4.4 Ausschluss von Angeboten (§ 42 Abs. 1 Satz 2 UVgO) wegen:
  • Nichtbeachtung der Form- und Fristvorgaben (§§ 13, 38 UVgO)
  • fehlender geforderter oder nachgeforderter Unterlagen (§§ 38 Abs. 10 S. 2, 41 Abs. 2-4 UVgO).
  • nicht zweifelsfreier Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen.
  • Änderungen/Ergänzungen an den Vergabeunterlagen (§ 38 Abs. 10 S. 1 UVgO).
  • fehlender Preisangaben, sofern es sich nicht um unwesentliche Einzelpositionen handelt (§§ 38 Abs. 10 S. 2, 41 Abs. 3 UVgO).
  • nicht zugelassener Nebenangebote (§ 25 UVgO).
4.5 Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (bestes Preis-Leistungs-Verhältnis) auf Grundlage der in den Vergabeunterlagen genannten Zuschlagskriterien (§ 43 Abs. 1-7 UVgO).
4.6 Aufklärungspflicht, wenn das für den Zuschlag vorgesehene Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint; Prüfung der Angemessenheit des Preises (§ 44 UVgO).
4.7 Entscheidung über den Zuschlag unter Mitwirkung von mindestens zwei AG-Vertretern (§ 43 Abs. 8 UVgO).

5.

Zuschlag

5.1 Zuschlagserteilung (§ 43 Abs. 1 UVgO).
5.2 Unverzügliche Information über erfolgte Zuschlagserteilung an jeden Bieter (§ 46 Abs. 1 S. 1 UVgO).
5.3 Mitteilung der wesentlichen Gründe für die Ablehnung des Angebots, der Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie des Namens des erfolgreichen Bieters auf Verlangen des jeweiligen nichtberücksichtigten Bieters (§ 46 Abs. 1 Satz 2 UVgO).

6.

Bekanntmachungspflicht nach Auftragsvergabe:

6.1 ex-Post-Veröffentlichung ab 25.000 € netto für die Dauer von 3 Monaten auf der Bekanntmachungsplattform https://www.aufträge.bayern.de (§ 30 Abs. 1 UVgO, Nr. 1.4.2 der Bekm.d.StMI)
Dabei sind nach der Zuschlagserteilung folgende Daten zu veröffentlichen:
  • Name, Anschrift, Telefon-, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse des Auftraggebers.
  • gewähltes Vergabeverfahren.
  • Auftragsgegenstand, Art und Umfang der Leistung,
  • Ort der Ausführung.
  • Zeitraum der Leistungserbringung
  • Name des beauftragten Unternehmens; soweit es sich um eine natürliche Person handelt, ist deren Einwilligung einzuholen oder deren Name zu anonymisieren.
6.2 Übermittlung der Auftragsdaten an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, wenn Auftragswert > 25.000 € (§§ 2 Abs. 2, 4 VergStatVO; Art. 7 Abs. 3 VergRModVO).

7.

Dokumentation und Aufbewahrung

7.1 Fortlaufende Dokumentation des Vergabeverfahrens von Anbeginn der Beschaffungsmaßnahme
(§ 6 UVgO).
7.2 Mindestaufbewahrungsfrist: 3 Jahre nach Zuschlagserteilung (§ 6 Abs. 2 UVgO).

8.

Hinweis zu Nachprüfungsverfahren Unterhalb der EU-Schwellenwerte

8.1 Unterhalb der EU-Schwellenwerte sind die Regierungen Nachprüfungsstellen (VOB-Stellen) im Sinne des § 21 VOB/A. Die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden entscheiden auf Grundlage der von den Nachprüfungsstellen getroffenen Entscheidungen über aufsichtliche Maßnahmen, soweit dies erforderlich ist. Für die Bezirke ist das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr Nachprüfungsstelle (Nr. 6.3.2 der Bekm.d.StMI).

9.

Hinweis zu den förderrechtlichen Folgen von schweren Verstößen gegen Vergabegrundsätze

9.1 Bei schweren Vergabeverstößen können staatliche Zuwendungen zurückgefordert werden. Auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat über die Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen wird hingewiesen. Die dortigen Ausführungen sind auf schwere Verstöße gegen die Vergabegrundsätze dieser Bekanntmachung entsprechend anzuwenden (Nr. 6.4 der Bekm.d.StMI).

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